Teilzeitstudent

Frank Vonau

Alex ist an allem schuld

Im Juli 2002 kam Alex zu Heike und mir ins Büro marschiert und fragte: "Wer hat denn Lust, an der Fernuni BWL zu studieren?" Komische Frage an zwei Leute mittleren Alters. Alex hatte schon ein Fernuni-Studium erfolgreich abgeschlossen, Heike hatte wie viele andere Kollegen auch immer wieder mal Material zu verschiedenen Themen bestellt. Aber BWL? Und dann richtig, d.h. abschlussorientiert? Andererseits muss man ja alles mal ausprobiert haben.

Also erstmal Infomaterial bestellt, das kam schnell und klang ganz interessant. Dann nachgerechnet, in Teilzeit würde das Studium im besten Fall fünfeinhalb Jahre dauern. Meine Güte, da könnte ich längst tot sein. Letztlich habe ich dann Gottesurteil gespielt: Wenn noch ein beglaubigtes Abiturzeugnis im Schrank ist, melde ich mich an. Blöd, da war noch ein ganzer Stapel und so kam kurz darauf ein Brief, dass man mich meinem Wunsch entsprechend als Student der Wirtschaftswissenschaften mit Fachrichtung BWL eingeschrieben habe. Wie Heikes Entscheidungsprozess ablief, ist nicht überliefert, aber sie hatte einen ähnlichen Brief im Postkasten.

Awful lots of paper

Zur Belohnung erstmal einen Rucksack und einen neuen Taschenrechner gekauft, wenige Wochen später ging der Spaß richtig los. Der Postbote brachte die ersten Dezimeter Papier ins Haus und das Studentenleben begann mit dem Ordnen und Abheften von Studienbriefen. Daran hat sich bis zum Schluss eigentlich nichts geändert. Dann kam der erste Besuch im Studienzentrum der Fernuni in Castrop-Rauxel, ein erstes Zusammentreffen mit echten Studenten und den Mentoren, die in den Studienzentren mit enormem Engagement abends und an Wochenenden müden Studenten den Lehrstoff vermitteln.

Tempus fugit

Nach einem halben Jahr die ersten Klausuren, geschrieben wurde an der Ruhruni Bochum, wo ich Jahre zuvor gelegentlich die Mathematiker und das Unifest besucht hatte. War schon ein komisches Gefühl, da plötzlich als Student rumzulaufen - auch wenn ich etwa 2 Jahre gebraucht habe, mich überhaupt als Student und nicht als Alter-Mann-mit-komischem-Hobby zu fühlen. Plötzlich sitzt man wie ein Schuljunge wieder in einer Bank und schreibt auf viel zu kleinen Tischchen Klausuren, alles ist wie früher, man schläft vorher tagelang nicht und ein Teil des Stoffes ist wenige Minuten nach der Prüfung schon vergessen.

Heike fand BWL dann doch doof, Alex hat das Studium einfach in ungefähr zwei Jahren erledigt, also musste der Rest im Alleingang geschafft werden. Der Arbeitsaufwand stieg trotz vergleichbarer Semesterwochenstunden Jahr um Jahr an, also mussten sukzessive die anderen Hobbies dran glauben. Zuerst blieb das Moped in der Garage, dann wurde nicht mehr online gespielt, zuletzt wurde im Semester auch auf andere Literatur als Studienbriefe verzichtet. Damit wurde der größte Teil der Freizeit und die Hälfte des Jahresurlaubs investiert. Dazwischen gab es dann immer Phasen, wo man sich fragt, warum man das eigentlich macht. Wo man nach Prüfungen alles hinschmeissen möchte oder schon am nächsten Tag verzweifelt schaut, ob nicht endlich die Ergebnisse online sind. Und wofür das alles? Ich kanns nicht wirklich beschrieben, würde es aber immer wieder so machen. Irgendwie ist es einfach geil, dass man neben der Arbeit noch was Sinnvolles (jaja, ich weiß, BWL ...) lernen kann.

Und jetzt?

Jetzt sind die Klausuren erledigt und die Diplomarbeit bestanden. Das Ende ist erreicht.

Und nun warten James Joyce, Charles Dickens und Terry Pratchett auf mich. Und das richtige Leben. Oder doch noch die Volkswirtschaftslehre? Sowas kann süchtig machen, der Bachelor of Laws wäre auch reizvoll ...

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